"Geliehene" Henker: Luzerns Start ohne eigenen Nachrichter
Ab Mitte des 13. Jahrhunderts durfte Luzern zwar selber richten – eine Erlaubnis, die die Habsburger der aufmüpfigen Stadt zugestanden hatten – doch einen eigenen Nachrichter leistete man sich noch nicht. Für diese "Arbeiten" wurde der Nachrichter von Zürich oder Konstanz herbeigerufen.
Auf dem Bild unten sieht man den Konstanzer Nachrichter bei der Enthauptung des Peter Amstalden in Luzern im Jahre 1478, also noch bevor Luzern einen eigenen Nachrichter hatte.
(Ein Detail, das auf den Wohlstand des Konstanzer Nachrichters hinweist, sind seine Schnabelschuhe. Diese waren zur damaligen Zeit ein klares Statussymbol, heute vergleichbar mit italienischen Designer Schuhen.)
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| Luzerner Schilling Folio 130v S.266. Amstalden Enthauptung durch den Konstanzer Nachrichter . |
Luzerns eigene Henker: Von Meister Steffen zu Baltz Mengis
Ab 1485 hatte Luzern dann seinen eigenen Nachrichter. Der erste hiess Meister Steffen.
Der wohl bekannteste Luzerner Nachrichter war Baltz Mengis, der das Amt in Luzern während unglaublichen 59 Jahren innehatte (1641-1700).
Interessanterweise wurden dem Luzerner Nachrichter Meister Baltz Mengis nach dem ersten Villmergerkrieg im Jahre 1656 die Verwundeten zur Behandlung anvertraut. Dank seinem grossen ärztlichen Können, starb von 30 Mann nur einer.
Luzerner Vorschriften und das "unberührbare" Tabu
In Luzern hatte der Nachrichter, wie vielerorts, auch den Wasenmeister-Dienst zu verrichten.
Die untere Abbildung zeigt, wie Diebold Schilling im Jahr 1495 den Jakob Kessler rettet. Kessler war zum Tod durch Rädern verurteilt worden, nachdem er unter Folter einen Mord in Lenzkirch gestanden hatte, den er gar nicht begangen hatte. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Luzern bereits über einen eigenen städtischen Nachrichter.
Gemäss Liebenau schrieb eine Luzerner Verordnung von 1565 eine spezifische Tracht für den Nachrichter vor: eine weiss-blaue Hose, ein gleiches Hemd sowie ein zweifaches rotes Kreuz.
Ein interessanter Vergleich bietet sich mit der Darstellung in Diebold Schillings Chronik, die 1513 fertiggestellt wurde (auch wenn sie ein Ereignis von 1495 zeigt).
Obwohl diese Abbildung rund 50 Jahre vor dieser Verordnung entstand, zeigen sich bereits deutliche Parallelen, aber auch Abweichungen:
Die blau-weisse Gewandung (die Luzerner Stadtfarben) ist bereits klar auszumachen.
Das zweifache rote Kreuz, das 1565 offiziell verordnet wurde, lässt sich auf dieser älteren Darstellung hingegen nicht erkennen.
Sehr auffällig ist stattdessen die rote Kappe, die mancherorts ebenfalls als Erkennungszeichen des Nachrichters diente.
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| Luzerner Schilling Folio 174v, e-codices S.352 |
Wie im Beitrag [Der Nachrichter in der alten Eidgenossenschaft] erwähnt, war der Nachrichter «unberührbar». Niemand durfte und wollte etwas mit ihm, seiner Familie oder seinen Geräten zu tun haben.
Eine Geschichte aus Luzern veranschaulicht dieses Tabu auf perfekte Weise:
Im Jahre 1725 musste ein neues Hochgericht (Galgen) gebaut werden, weil das alte baufällig war. Natürlich wollte kein ehrenhafter Handwerker so einen Auftrag annehmen.
So verfügten die Gnädigen Herren von Luzern, dass sich "alle Steinmetz, Muurer, Zimmerlüth, Schmid, Deck- und Stürtzkessler, so sich in hiesiger Statt befinden," unter Führung der Zunftdeputierten diese Arbeit gemeinsam auszuführen haben.
Der Bau des Galgens wurde nur dadurch ermöglicht, dass sämtliche Handwerker kollektiv zur Arbeit gezwungen wurden, damit keiner allein durch die "unberührbare" Arbeit "entehrt" werden konnte.
Quellen
- Jürg Manser (Hrsg.): Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke. Band I & II.
- Doris Huggel: Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke. Band II.
- Historisches Lexikon der Schweiz. - Scharfrichter - https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016389/2003-09-01/
- Die Collectanea des Renward Cysat
- Theodor von Liebenau: Der Geschichtsfreund
- e-periodica, ETH Bibliothek Zürich - https://www.e-periodica.ch/digbib/dossearch?ssearchtext=scharfrichter
- u.a.

