Nachtwächters Ralf Blog

Nachtwächter Ralfs Blog | Vergessene Geschichte(n), spannende Anekdoten und Neues aus dem historischen Luzern.

Der Nachrichter im alten Luzern

"Geliehene" Henker: Luzerns Start ohne eigenen Nachrichter

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts durfte Luzern zwar selber richten – eine Erlaubnis, die die Habsburger der aufmüpfigen Stadt zugestanden hatten – doch einen eigenen Nachrichter leistete man sich noch nicht. Für diese "Arbeiten" wurde der Nachrichter von Zürich oder Konstanz herbei bestellt.

Auf dem Bild unten sieht man den Konstanzer Nachrichter bei der Enthauptung des Peter Amstalden in Luzern im Jahre 1478, also noch bevor Luzern einen eigenen Nachrichter hatte.
(Ein Detail, das auf den Wohlstand des Konstanzer Nachrichters hinweist, sind seine Schnabelschuhe. Diese waren zur damaligen Zeit ein klares Statussymbol, heute vergleichbar mit italienischen Designer Schuhen.)


Die Enthauptung des Peter Amstalden durch den Konstanzer Nachrichter (1478)
Luzerner Schilling Folio 130v S.266. Amstalden Enthauptung durch den Konstanzer Nachrichter .


Zu Zeiten des alten Zürichkrieges bediente man sich des Nachrichters von Bern. Die herbei gerufenen Nachrichter bekamen neben dem regulären Lohn auch die Kosten für die An- und Abreise erstattet.


Luzerns eigene Henker: Von Meister Steffen zu Baltz Mengis

Ab 1485 hatte Luzern dann seinen eigenen Nachrichter. Der erste hiess Meister Steffen.

Der wohl bekannteste Luzerner Nachrichter war Baltz Mengis, der das Amt in Luzern während unglaublichen 59 Jahren innehatte (1641-1700).

Interessanterweise wurden dem Luzerner Nachrichter Meister Baltz Mengis nach dem ersten Villmergerkrieg im Jahre 1656 die Verwundeten zur Behandlung anvertraut. Dank seinem grossen ärztlichen Können, starb von 30 Mann nur einer.


Luzerner Vorschriften und das "unberührbare" Tabu

In Luzern hatte der Nachrichter, wie vielerorts, auch den Wasenmeister-Dienst zu verrichten.

Die untere Abbildung zeigt, wie Diebold Schilling im Jahr 1495 den Jakob Kessler rettet. Kessler war zum Tod durch Rädern verurteilt worden, nachdem er unter Folter einen Mord in Lenzkirch gestanden hatte, den er gar nicht begangen hatte. Zu diesem Zeitpunkt verfügte Luzern bereits über einen eigenen städtischen Nachrichter.

Gemäss Liebenau schrieb eine Luzerner Verordnung von 1565 eine spezifische Tracht für den Nachrichter vor: eine weiss-blaue Hose, ein gleiches Hemd sowie ein zweifaches rotes Kreuz.

Ein interessanter Vergleich bietet sich mit der Darstellung in Diebold Schillings Chronik, die 1513 fertiggestellt wurde (auch wenn sie ein Ereignis von 1495 zeigt).

Obwohl diese Abbildung rund 50 Jahre vor dieser Verordnung entstand, zeigen sich bereits deutliche Parallelen, aber auch Abweichungen:

  • Die blau-weisse Gewandung (die Luzerner Stadtfarben) ist bereits klar auszumachen.

  • Das zweifache rote Kreuz, das 1565 offiziell verordnet wurde, lässt sich auf dieser älteren Darstellung hingegen nicht erkennen.

  • Sehr auffällig ist stattdessen die rote Kappe, die mancherorts ebenfalls als Erkennungszeichen des Nachrichters diente.


Diebold Schilling rettet den zu unrecht verurteilten Jakob Kessler.
Luzerner Schilling Folio 174v, e-codices S.352


Wie im Beitrag [Der Nachrichter in der alten Eidgenossenschaft] erwähnt, war der Nachrichter «unberührbar». Niemand durfte und wollte etwas mit ihm, seiner Familie oder seinen Geräten zu tun haben.

Eine Geschichte aus Luzern veranschaulicht dieses Tabu auf perfekte Weise:

Im Jahre 1725 musste ein neues Hochgericht (Galgen) gebaut werden, weil das alte baufällig war. Natürlich wollte kein ehrenhafter Handwerker so einen Auftrag annehmen.

So verfügten die Gnädigen Herren von Luzern, dass sich "alle Steinmetz, Muurer, Zimmerlüth, Schmid, Deck- und Stürtzkessler, so sich in hiesiger Statt befinden," unter Führung der Zunftdeputierten diese Arbeit gemeinsam auszuführen haben.

Der Bau des Galgens wurde nur dadurch ermöglicht, dass sämtliche Handwerker kollektiv zur Arbeit gezwungen wurden, damit keiner allein durch die "unberührbare" Arbeit "entehrt" werden konnte.

 

Quellen

 

Siehe auch













Der Nachrichter in der alten Eidgenossenschaft

Wer war der "Nachrichter"?

Der Scharfrichter wurde in der alten Eidgenossenschaft, in Süddeutschland und im Elsass Nachrichter genannt und mit “Meister” angesprochen.
Er ist derjenige, der «nach dem Richter» kommt. Das Wort stammt vom althochdeutschen «Nāchtrihhari» und bedeutet sinngemäss: „der das Urteil nachsetzt oder vollstreckt”.
Seine Aufgabe war das Foltern, um Geständnisse zu erpressen und die Ausführung der nachfolgenden Strafen an «Haut und Haar» (Körperstrafen) oder «Bis an das Blut» (Tod).


Hinrichtungsszene aus Luzerner Schilling Folio 285r P577
Hinrichtungsszene aus dem Luzerner Schilling Folio 285r P577


Mehr als nur der Henker: Die "unehrlichen" Ämter

Oftmals hatte der Nachrichter auch das Wasenamt inne und musste tote Tiere abdecken und verlochen. Je nach Grösse der Stadt und Arbeitsaufwand hatte er auch Personal, sogenannte Halbmeister oder Schinderknechte. Diese verrichteten im Auftrag des Meisters auch andere anrüchige Arbeiten, wie z. Bsp. Hunde fangen und totschlagen, Aussätzige aus der Stadt vertreiben und Vergleichbares mehr.

Häufig leitete die Frau des Nachrichters das städtische Frauenhaus, zu dieser Zeit ein steuerlich/politisch reguliertes Bordell.


Systemrelevant und doch verachtet

In der mittelalterlichen Gesellschaft war der Nachrichter «systemrelevant». Trotzdem war er auf der niedrigsten Hierarchiestufe überhaupt. Er war der «unehrlichste» der «Ehrlosen».


Das Tabu: Ein Leben in der Isolation

Der Nachrichter ist tabu. Niemand durfte und wollte mit ihm etwas zu tun haben.
Wenn es zwischen Obrigkeit und dem Nachrichter etwas zu besprechen gab, so wurde der Weibel oder Boten geschickt und der Nachrichter wurde mit «Meister» angesprochen.
Sein Leben war voller Einschränkungen. Alles, was er berührte, wurde gemieden, niemand wollte es anfassen.

Im Wirtshaus war der schäbigste Platz, derjenige des Nachrichters.

Das kann man sich etwa so vorstellen:
Der Nachrichter kommt ins Wirtshaus.
Die Leute schauen, aber niemand grüsst.
Auch er nicht.
Er begibt sich zu seinem Platz,
einem schäbigen Klapptisch
in der hintersten Ecke.
Er nimmt seinen Becher
der an einem Nagel an der Wand hängt
Die Serviertochter kommt und schenkt ihm ein
Er trinkt, legt eine Münze auf den Tisch und geht.

 

In der Kirche waren die hintersten Plätze für die Nachrichter-Familie «reserviert».
Als es dann eine Schule gab, sassen die Henkerskinder auf den hintersten Plätzen, sofern man sie denn überhaupt zur Schule zuliess.

Wer immer mit dem Nachrichter etwas zu tun hatte, wurde ebenso gemieden wie er. Diese Berührungsangst führte häufig zu besonderen Kleidungsvorschriften, um Fremde oder Nichtsahnende zu warnen, dass diese Person «unberührbar» ist.

An manchen Orten musste der Nachrichter eine rote Kappe tragen. Mancherorts war es ihm verboten, seinen Bart und die Haare zu schneiden. Er durfte auch keinen Eid leisten.

Jagen durfte der Nachrichter nur auf Wölfe, sein Vieh musste getrennt von der Herde der Gemeinde grasen. Diese Regeln galten nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie. So hatte auch seine Tochter kaum Aussicht auf eine Ehe – es sei denn, ein anderer Scharfrichter nahm sie zur Frau. Sein Sohn nahm sich die Tochter eines Scharfrichters zur Frau, wenn er denn eine finden konnte.
Das hat dazu geführt, dass es zu Henkerdynastien gekommen ist. So zum Beispiel die Mengis, die allein in Luzern das Nachrichteramt gut 120 Jahre ausführten.


Die andere Seite des Tabus: Der heimliche Heiler

Die gesellschaftliche Isolation führte oft zu grosser Einsamkeit und den damit verbundenen Erkrankungen. Auch Alkoholismus war unter den Nachrichtern weit verbreitet, was die Rohheit und Brutalität noch steigerte.

Der Nachrichter wurde heimlich und des Nachts aufgesucht, da er ein Sachverständiger in medizinischen Fragen war.
Er konnte Heilsäfte, Wundermittel und gar Liebestränke herstellen. Er hatte auch Zugriff auf magische Gegenstände des Hinrichtungsgeschens.

Zum Angebot gehörten:

  • Blut von Hingerichteten (soll gegen Epilepsie und Aussatz helfen)
  • Finger und Zehen von Hingerichteten (ähnlich wie die Hasenpfote bringen diese Glück).
  • Der Strick, mit dem einer gehängt wurde, hatte aufgrund seiner Heilskraft einen besonderen Wert und konnte verkauft werden.
  • Das Hab und Gut von zum Tode verurteilten ging an die Obrigkeit. Aber alles, was der Verurteilte am Körper trug, gehörte dem Nachrichter und konnte auch heimlich verkauft werden.

Vom "Unehrlichen" zum Arzt: Das Ende einer Ära

Nachdem in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Amt des Nachrichters in der Schweiz aufgehoben wurde, haben viele ehemalige Nachrichter eine “Ehrlichsprechung” (Freibrief) erlangt. So konnten sie sich vom Makel der “Unehrlichkeit” befreien und sozial aufsteigen. Manche Söhne von Nachrichterfamilien studierten Medizin und wurden Ärzte. (Z. Bsp. aus der Familien Mengis und Vollmar)


Tod oder Nachrichter heiraten?

Weil es für den Nachrichter so schwierig war, eine Frau zu finden, wurde ihm folgendes Recht gewährt: Er konnte einer zum Tode verurteilten Frau das Leben retten, sofern sie ihn heiratete.
In den alten Büchern steht, dass manche von ihnen den Tod vorzogen.
Es wird aber auch berichtet, dass Johann Baptist Näf, der letzte Scharfrichter des Kantons St. Gallen, 1783 die zum Tode verurteilte Kindsmörderin Elisabetha Hegner heiratete und damit ihr Leben rettete und seines wohl bereicherte. 


Quellen



Siehe auch









Das Berufsethos des Nachrichters

Das Aufziehen oder die Streckfolter, Zentralbibliothek Zürich
Das Aufziehen oder die Streckfolter, Zentralbibliothek Zürich

Wie jeder gute Handwerker war auch der Scharfrichter bemüht, saubere Arbeit zu leisten. Gefoltert werden durfte nur so weit, wie es zweckdienlich war – nicht tödlich. Der Nachrichter musste peinlich darauf achten, dass die Gefolterten nicht starben, damit sie der gerechten Strafe zugeführt werden konnten.

Nötigenfalls hatte er sie sogar zu verarzten, wodurch er sich medizinisches Wissen aneignete.



Luzerner Schilling, 1513, Folio 210r (425). Ein Knecht, der die Stadt an die Franzosen verraten wollte, wird grausam gevierteilt (1500)
Luzerner Schilling, 1513, Folio 210r (425). Ein Knecht, der die Stadt an die Franzosen
verraten wollte, wird grausam ausgedärmt gevierteilt (1500)

Während Ärzten zu jener Zeit das Sezieren verboten war, erlangten die Nachrichter umfangreiche Kenntnisse in Anatomie und Heilkunde. Dieses Wissen gaben sie an ihre Söhne weiter.

Ein Meister Leonard Vollmar war es, der 1782 in Glarus Anna Göldi aus dem Sennwald als letzte „Hexe“ enthauptete. Meister Vollmar bat die Gnädigen Herren damals, man möge ihm gestatten, seinen 19-jährigen Sohn mitzunehmen, „der gerne lernen möchte, wie die Sache vor sich gehe“.

Die höchste und ehrenvollste Aufgabe des Nachrichters war die Kunst der Schwertenthauptung.
Diese musste mit einem einzigen Schlag erfolgen, der den Kopf vollständig vom Rumpf trennte – so, dass ein Wagenrad dazwischen hindurchfahren konnte. Die Söhne der Nachrichter übten dies an Tieren.

Ein guter Nachrichter war sich der Schwere seiner Aufgabe bewusst und führte sie sachlich, ernst und nach festgelegtem Ritual aus.



Der große Auftritt

Die Enthauptung des heiligen Mauritius, Ausschnitt Martiniplan 1597


Man stelle sich vor: Hunderte von Menschen wohnen der Hinrichtung bei. Der Richter, der Nachrichter und der Verurteilte stehen erhöht auf dem Kallenberg (Schafott).

Der Nachrichter legt die Hand auf die Schulter des Verurteilten und fordert ihn auf, niederzuknien.

Dann stellt er sich hinter ihn halblinks, macht einen Ausfallschritt nach rechts und hebt das Richtschwert.

Das ist der Moment des Nachrichters.

Hunderte Augen sind auf ihn gerichtet.
Totenstille.
Er atmet tief aus, die Muskeln spannen sich, das Adrenalin schießt durch seinen Körper.

Er blickt zum Ratsrichter.
Ein Nicken.

Dann 

  • Sssfffffft.
  • Ein fast unhörbares Pfeifen zerschneidet die Luft.
  • Tschack.
  • Ein kurzes, feuchtes Geräusch. Der Körper sackt zusammen.
  • Dock – – Dock – Dock.
  • Das dumpfe Poltern des abgeschlagenen Kopfes über den Kallenberg.

Die Menge schreit und jubelt. Für den Nachrichter ist es ein Rausch.
Jetzt ist er der König – für einen Moment der absolute Superstar.
Er genießt diesen Augenblick, wohl wissend, dass er im nächsten wieder der Ehrloseste unter den Ehrlosen sein wird: der Geächtete, der Ausgestoßene.


Quellen:

  • Schild, Wolfgang, Alte Gerichtsbarkeit: Vom Gottesurteil bis zum Beginn der modernen Rechtsprechung, München: Callwey Verlag, 1980.
  • Huggel, Doris: Aus: Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke. Band II. (Hrsg Jürg Manser)
  • Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling (Luzerner Schilling) 1513 und Kommentarband, 1981, Alfred A. Schmid (Hrsg.)
  • Historisches Lexikon der Schweiz. https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016389/2003-09-01/
  • Henggeler, Pater Rudolf, Der Geschichtsfreund Band 113, 1960
  • und eigene Recherchen




Ludwig Pfyffer von Althishofen, der "Schweizerkönig"

Künstler unbekannt, Original: Schloss Heidegg, vermutlich posthum gemalt.

Das alte Luzern erreichte seinen politischen und wirtschaftlichen Zenith etwa im späten 16. Jahrhundert, zur Zeit Ludwig Pfyffers von Altishofen. In dieser Epoche war Luzern das führende Zentrum der katholischen Innerschweiz. und spielte eine bedeutende Rolle in der Konfessionalisierung der Eidgenossenschaft nach der Reformation.

Gründe für Luzerns Blütezeit:

  • Politische Dominanz: Luzern war führend im katholischen Lager der Eidgenossenschaft und spielte eine Schlüsselrolle in der katholischen Allianz, der späteren Borromäischen Liga.

  • Einflussreicher Machtmensch: Ludwig Pfyffer war Schultheiss von Luzern und gleichzeitig Oberst der Schweizertruppen in Frankreich – sein Einfluss reichte weit über die Stadt hinaus.

  • Wirtschaftlicher Aufschwung: Durch Söldnerdienste und französische Pensionen floss viel Geld nach Luzern. Auch der Handel, vor allem mit Tuch, blühte.

  • Kulturelle und religiöse Stärkung: Die Jesuiten wurden 1574 auf Initiative Pfyffers nach Luzern geholt, was der Stadt eine zentrale Rolle in der Gegenreformation verschaffte (z. B. Gründung des Jesuitenkollegs).


Der „Schweizerkönig“ – Eine Figur größer als das Leben

Ob der Titel spöttisch oder bewundernd gemeint war, spielt keine Rolle mehr. Pfyffer verkörperte ihn mit Leib und Seele: Als Schultheiss, Bannerherr, Oberst und Ritter stieg er zur prägenden Figur seiner Zeit auf.


Reichtum, Familie, Einfluss

Ein florierender Handel mit Stoffen brachte ihm beträchtlichen Wohlstand. Seine Familie, jung, aber aufstrebend, verschaffte ihm Zugang zu hohen Ämtern. Unterstützt von Verwandten, die ihre Macht geschickt ausspielten, konnte er auch während seiner Abwesenheit in fremden Diensten seine Stellung sichern.


Karriere in Frankreich – Vom Söldner zum Oberbefehlshaber

Pfyffers Glück war ebenso konstant wie sein Ehrgeiz. In Frankreich öffneten ihm die Tode seiner Vorgesetzten den Weg an die Spitze der Schweizer Truppen im Ausland. Dort stieg er zum wichtigsten Offizier auf – und zum engen Vertrauten des Königs. Seine Tapferkeit, seine körperliche Stärke und seine Führungsqualitäten machten ihn zur Legende. Als er den König in Meaux aus feindlicher Umklammerung befreite, erreichte sein Ruhm neue Höhen.


Intrigen, Machtspiele und immense Reichtümer

Zuhause versuchte man, ihn zu stürzen – vergebens. Sein Einfluss war unantastbar. Die Dienste für fremde Mächte waren lukrativ, insbesondere für Frankreich, auch wenn die Zahlungen oft unregelmäßig waren. Trotzdem erhielt Pfyffer unglaubliche Summen, mit denen er Grundbesitz, Anwesen und sogar Herrschaften erwarb. Er war Gläubiger des französischen Königs in sechsstelliger Höhe – so hoch, dass dieser sich einmal vor seinen eigenen Söldnern ins Rathaus flüchten musste.


Unangefochtene Autorität in Luzern

In seiner Heimatstadt war Pfyffer unumstritten. Er bestimmte die Geschicke Luzerns und prägte die katholische Eidgenossenschaft maßgeblich. Diplomatisch agierte er geschickt – er schloss Verträge mit Frankreich, aber auch mit dessen Gegnern. Als sich die überkatholische Partei der Guise vom französischen König abspaltete, schlug sich Pfyffer auf ihre Seite. Heinrich III. war ihm nicht radikal genug.


Der letzte Akt eines Machtmenschen

Die letzten Stunden seines Lebens verbrachte Pfyffer mit politischem Tagesgeschäft: Ratsarbeit am Morgen, Besprechungen mit Freiburger Gesandten am Nachmittag, eine geheime Unterredung am Abend. Noch immer war der fast 70-Jährige geistig wie körperlich bei bester Gesundheit. Seine dritte Ehefrau erwartete gerade das vierzehnte Kind. Neben dieser großen Familie hatte Pfyffer in Luzern vier uneheliche Kinder anerkannt. Oft war er zu längeren Zeiten in Paris und an der Front und man darf davon ausgehen, dass er dort nicht mönchischer gelebt hat.


Ein Leben voller Widersprüche

Trotz seiner Lebensweise stand Pfyffer zu seinem katholischen Glauben. Die Jesuiten, die er nach Luzern holte, waren seine engen Verbündeten. Selbst wenn sie ihn ermahnten oder seine protestantischen Gegner gegen ihn wetterten – er war überzeugt, im Dienst der Kirche gehandelt zu haben.


Ein glanzvoller Abschied

Sein Tod kam leise, durch eine schmerzlose Lungenentzündung. Hinterlassen hat er ein Vermögen: sieben prachtvolle Stadthäuser, Ländereien, Höfe und Alpenweiden, darunter Altishofen und Wyher. Sein Barvermögen, Schmuck und Edelsteine übertrafen sogar den Wert seiner Güter. Mit ihm ging eine Persönlichkeit, deren Erscheinung eher an einen Fürsten als an einen Bürger erinnerte – einer, dessen Abwesenheit ausreichte, um eine Tagsatzung zu vertagen.

Nach Pfyffers Tod 1594 blieb Luzern zwar weiterhin wichtig, doch begann der langfristige Niedergang der städtischen Selbstherrlichkeit und des Einflusses auf eidgenössischer Ebene, insbesondere durch den wachsenden Druck aus Bern, Zürich und von außenpolitischen Veränderungen im 17. Jahrhundert.


Bildbetrachtung

Der stolze "Schweizerkönig" Ludwig Pfyffer von Althishofen war auch gekleidet wie ein König. Das Hermelinfell, wie es heute nur noch der Papst und der König von England trägt,
Die Kette des Michaelsorden, der Club der reichsten Männer dieser Zeit
und den Ring vom Papst. 
Seine linke Hand auf einem Tötenschädel, als Zeichen der Vergänglichkeit.
Als wollte er sagen: Ich weiss schon, dass auch ich sterben muss.

Künstler unbekannt, Original: Schloss Heidegg, vermutlich posthum gemalt.




Quellen: Kuno Müller, Renward Cysat, Wikipedia u.a.





Von den Pfahlbauern bis zur Stadtgründung Luzerns

 Die Anfänge – Leben am Wasser

Schon vor über 5000 Jahren lebten Menschen in der Zentralschweiz. Im Wauwilermoos, unweit von Luzern, wurden Pfahlbauten entdeckt, die auf etwa 4300 v. Chr. datiert werden. Auch Luzern selbst dürfte sehr alt sein: Bei Bauarbeiten für das ewl See-Energiezentrum im Jahr 2020 wurden Spuren einer Siedlung gefunden, die rund 3000 Jahre alt ist – etwa aus dem Jahr 1000 v. Chr.

Pfahlbauten wurden meist direkt am Wasser errichtet. Der Vierwaldstättersee war also schon damals ein wichtiger Ort zum Leben – vor allem wegen der reichen Fischbestände. Man geht davon aus, dass an der Stelle des heutigen Luzerns ein Fischerdorf lag, lange bevor es eine Stadt wurde.


Kelten, Römer und Alemannen

Etwa um 800 v. Chr. kamen die Kelten aus dem Osten und liessen sich in der heutigen Schweiz nieder. Später, im 1. Jahrhundert v. Chr., eroberten die Römer das Gebiet. Sie nannten die keltischen Stämme "Helvetier" und machten Helvetien zu einer Provinz des Römischen Reichs.

Luzern selbst wird in den römischen Quellen nicht erwähnt – wahrscheinlich war es damals zu unbedeutend.

Nach dem Abzug der Römer im 4. Jahrhundert n. Chr. wanderten germanische Stämme wie die Alemannen in die Region ein. Mit der Zeit vermischten sich die Alemannen mit den Helvetiern und den zurückgebliebenen Römern – daraus entwickelte sich das Volk, das später die Eidgenossenschaft gründete.


Die erste Erwähnung Luzerns

Im Jahr 840 n. Chr. taucht Luzern zum ersten Mal schriftlich auf – unter dem Namen "Luciaria" in einem Dokument des Klosters St. Leodegar im Hof. Dieses Benediktinerkloster war bereits im 8. oder 9. Jahrhundert gegründet worden und war das religiöse Zentrum der Region.


Luzerner Schilling, 1513, Folio 3r
Ein Engel erleuchtet Luzern, Luzerner Schilling, 1513, Folio 3r

Der Name Luzern hat übrigens nichts mit dem lateinischen "Lux" (Licht) zu tun – auch wenn viele diese romantische Vorstellung mögen. Viel wahrscheinlicher ist, dass der Name vom lateinischen "lucius" kommt – dem Hecht. Also: Luzern – der Ort, an dem es viele Hechte gibt.


Die Gründung der Stadt

Die eigentliche Stadt Luzern wurde wahrscheinlich zwischen 1180 und 1200 gegründet. Verantwortlich dafür waren vermutlich die Brüder von Eschenbach: Der eine war Abt des Klosters Murbach im Elsass, der andere Propst des Luzerner Klosters im Hof. Luzern und 15 umliegende Höfe gehörten dem Kloster Murbach – und es war wirtschaftlich sinnvoll, hier eine Stadt mit Markt zu gründen.

Für eine mittelalterliche Stadt brauchte es drei Dinge:

  • Eine Stadtmauer zum Schutz,

  • eine Kirche als religiöses Zentrum,

  • und einen Markt mit gesicherten Handelswegen.

Luzern lag perfekt zwischen dem Mittelland und den Alpen: Aus dem Berggebiet kamen Käse, Butter und Fleisch, aus dem Flachland Getreide und Salz – ideale Voraussetzungen für einen florierenden Markt.


Rathaus und Pfistern, Ulrich Gutersohn (1862-1946))
Die Waren wurden mit Nauen auf dem Wasserweg direkt zum Luzerner Markt gebracht.
Bild: Rathaus und Pfistern, Ulrich Gutersohn (1862-1946))

Der Markt – Herzstück des städtischen Lebens

Schon früh war Luzern ein wichtiger Handelsplatz. Die Markttage – Dienstag und Samstag – haben bis heute Bestand. Das hängt auch mit dem Wochenrhythmus der Marktfahrer zusammen, etwa aus Weggis, wo dank mildem Klima viel Gemüse angebaut wurde:

Typischer Wochenplan eines Weggiser Marktfahrers im Mittelalter:

  • Montag: Gemüse verladen, Fahrt nach Luzern

  • Dienstag: Markttag in Luzern, Rückfahrt

  • Mittwoch: Fahrt nach Flüelen, Transport nach Altdorf

  • Donnerstag: Markt in Altdorf, Rückreise

  • Freitag: Erneut nach Luzern

  • Samstag: Zweiter Markttag in Luzern

  • Sonntag: Ruhetag

Der Vierwaldstättersee diente dabei als wichtigster Verkehrsweg – schneller und einfacher als über Land.


Und der Gotthard?

Der berühmte Gotthardpass spielte bei der Stadtgründung Luzerns noch keine Rolle. Der Transitverkehr über den Gotthard entwickelte sich erst im 13. Jahrhundert – zu einem Zeitpunkt, als Luzern längst eine gefestigte Stadt war.



Die Richtstätte Sentimatt in Luzern

Als Hörige des Hofklosters wurden wir zunächst am Marienbrunnen bei der Hofkirche gerichtet.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts erlaubten uns die Habsburger, selbst Gericht zu halten – dies geschah dann am unteren Fischmarkt, bei der Gerichtslinde.

Später wurde das erste Rathaus Luzerns (Vorgänger des heutigen Hotel Des Balances) Gerichtsort – die Vollstreckungen fanden an der Richtstätte Sentimatt statt.


Lage der Sentimatt-Richtstätte

Zwischen der Dammstrasse und Sentimatt 1, direkt an der Reuss, ausserhalb der ehemaligen Stadtmauern. Heute befindet sich dort ein Parkplatz, links die Pädagogische Hochschule, rechts eine Betonmauer, dahinter der Sonnenbergtunnel.


Schumacherplan auf Google maps
Genauer Standort der Richtstätte Sentimatt, Schumacherplan auf Google Maps,
Altrosa=Richtstätte, Rot=Kallenberg (Schafott)



Die Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacher-Plan

Auf dem Schumacherplan von 1790 erkennt man die Richtstätte deutlich:

  • Eingezäuntes Grundstück ausserhalb der Stadtmauern

  • Haupthaus mit drei Stockwerken, Nebengebäude

  • Garten mit Bäumen (vermutlich Apfelbäume)

  • Ein abgesperrter Bereich mit einem Loch – wohl zur Beseitigung der Leichen

  • Kreisförmige Erhebung in der Mitte des Anwesens: der Kallenberg.
    Begriffserklärung: Der Kallenberg oder Kahlenberg ist ein Schafott aus Stein, auch Rabenstein genant – also die gemauerte, runde oder achteckige Plattform (die "Bühne"), auf der die blutigen Hinrichtungen wie Enthauptungen oder das Rädern stattfanden.


Wer alles im Haupthaus lebte, bleibt ungewiss – vermutlich die Familie des Nachrichters, seine Knechte und Mägde. Trotzdem erscheint das Gebäude bemerkenswert gross. (Weitere Informationen zum Schumacherplan)

Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan
Richtstätte Sentimatt auf dem Schumacherplan


Darstellung bei Diebold Schilling

In der Diebold Schilling Chronik ist die Richtstätte Sentimatt ebenfalls zu sehen – mit der Reuss und im rechten Hintergrund hinter den Rauchschwaden die Museggmauern.
(Weitere Informationen zu diesem Bild: Hier)

Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v
Diebold Schilling Chronik 1513, Folio 174 v - Wikimedia



Zweite Richtstätte ab Mitte des 16. Jahrhunderts

Etwa ab 1562 wurde in Luzern eine weitere Richtstätte bei der damaligen Emmen-Brücke eingerichtet – dort, wo Reuss und Emme zusammenfliessen, auf der linken Flussseite.
Die Sentimatt wurde fortan ausschliesslich für Enthauptungen genutzt.


Quellen:
  • Die „Elevation der Stadt Luzern“ (aka Schumacherplan), Franz Xaver Schumacher (1755-1808) 
  • Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling (Luzerner Schilling) 1513 und Kommentarband, 1981, Alfred A. Schmid (Hrsg.)
  • u.a.




Schweinehaltung in der Stadt Luzern

Wie in vielen anderen Städten hielten die Bürger von Luzern bis ins 15. Jahrhundert ihre Schweine frei in der Stadt. Die Stadtmauern und Tore bildeten eine natürliche Begrenzung, innerhalb derer sich die Tiere frei bewegen konnten. Sie ernährten sich vor allem von Küchenabfällen, die aus den Fenstern geworfen wurden, und fühlten sich "sauwohl".

Um die Schweine ihren Besitzern zuzuordnen, wurden ihnen Muster ins Ohr geschnitten. Die Halter waren meist wohlhabendere Bürger, da sich nur Bessergestellte ein Schwein leisten konnten.

Die Abfälle wurden in die engen Gassen zwischen den Häusern geworfen. Diese Gassen waren oft so schmal, dass es einmal vorkam, dass ein Schwein darin stecken blieb und verendete. Daraufhin wurde festgelegt, dass Gassen breit genug sein mussten, damit ein Schweinchen darin wenden konnte.


Probleme und Veränderungen

Die frei laufenden Schweine sorgten jedoch auch für Ärger. Sie drangen in Gärten ein und fraßen, was sie fanden. Zudem gab es keine sanitären Anlagen, sodass viele Gassen auch als "Schissigässlein" dienten. Der Gestank war allgegenwärtig, und die hygienischen Zustände führten zu einer hohen Säuglingssterblichkeit. Mitte des 14. Jahrhunderts erreichte die erste Pestwelle Luzern, und langsam wurde klar, dass sich etwas ändern musste. Doch es dauerte lange, bis Maßnahmen ergriffen wurden. Noch Ende des 18. Jahrhunderts bezeichnete Goethe Luzern als "Storchennest", ein Hinweis auf die unhygienischen Verhältnisse.


Verbot der freilaufenden Schweinehaltung in Luzern

1469 wurde es schließlich verboten, Schweine frei in der Stadt herumlaufen zu lassen. In einer offiziellen Anordnung hieß es:

„Meine Herren haben allen Bürgern verboten, ihre Schweine frei in der Stadt herumlaufen zu lassen. Wer sich nicht daran hält, muss eine Geldstrafe von einem Pfund zahlen. Falls es wiederholt vorkommt, werden die Stadtdiener die Tiere einfangen. Sollte jemand durch freilaufende Schweine einen Schaden erleiden, wird der Besitzer dafür verantwortlich gemacht, als hätte er den Schaden selbst verursacht.“

Quelle: StALU RP 5A fol. 176r, Eintrag von Melchior Russ d. Ä., 19. oder 26. Mai 1469,
Sammlung schweizerischer Rechtsquellen (PDF)



Ein tragischer Vorfall mit einer Muttersau (1563)

Wickiana [F 15, 389]
Wickiana [F 15, 389]

In der Wickiana, einer Sammlung von Nachrichten aus dem 16. Jahrhundert, wird ein schrecklicher Vorfall aus dem Jahr 1563 berichtet. In Maschwanden im Freiamt kam es zu einem tödlichen Unfall mit einem Schwein.

Im Juni (Brachmonat) wurden einer Muttersau gerade erst die Ferkel weggenommen. Das unbeaufsichtigte Kind einer Familie wurde von der aufgebrachten Sau angegriffen. Das Tier biss dem Kind den Kopf ab, woraufhin es starb.

Quelle: Wickiana, Nachrichtensammlung des Johann Jakob Wick, 16. Jahrhundert [F 15, 389]


Anmerkung zu „Maschwanden im Freiamt“

Der in der Wickiana genannte Ort "Maschwanden im Freiamt" bezieht sich vermutlich auf Maschwanden, eine Gemeinde im Kanton Zürich. Das historische Freiamt liegt jedoch im Kanton Aargau, südlich von Maschwanden. Es ist möglich, dass Maschwanden damals aufgrund seiner Nähe oder politischer Zugehörigkeiten mit dem Freiamt in Verbindung gebracht wurde.




Der Musegger Umgang

Im Mittelalter waren Großbrände häufig, da die Häuser meist aus Holz gebaut und mit Stroh oder Schindeln gedeckt waren. Dadurch konnten sich Feuer leicht ausbreiten, oft brannten ganze Häuserzeilen oder sogar Stadtteile nieder. Auch Luzern blieb davon nicht verschont – was wohl zur Redensart führte:

„Z’ Lozärn brönnts gern.“

Nach dem verheerenden Stadtbrand am Peter- und Paultag (29. Juni) des Jahres 1340 beschloss die Obrigkeit, Maßnahmen gegen die Feuersbrünste zu ergreifen. Zum Zeichen ihres Ernstes legte sie ein Gelübde ab: Jährlich sollten drei Ratsmitglieder eine Wallfahrt nach Rom unternehmen.

In den 1460er-Jahren wurde dieses Gelübde in den „Musegger Umgang“ umgewandelt. 1512 verlieh Papst Julius II. der Prozession den Charakter einer Pilgerreise mit vollkommenem Ablass.

Musegger Umgang, Ulrich Gutersohn (1862-1946)
Musegger Umgang, 1894, Ulrich Gutersohn (1862-1946)

Die Stadtwallfahrt entwickelte sich zum bedeutendsten Kirchenfest Luzerns – sogar noch größer als die Fronleichnamsprozession. Päpstliche Legaten aus Rom, Äbte umliegender Klöster, Komture geistlicher Ritterorden, Landammänner der Urkantone und das einfache Volk strömten in großer Zahl herbei.

Niklaus von Flüe (1417–1487) nahm oft daran teil und wurde mit grossem Respekt als „lebendiger Heiliger“ bestaunt. Einmal sollen ihm die Luzerner einen neuen Rock geschenkt und den alten als Reliquie behalten haben. Laut Hans Kurmann soll es sich bei dem in der Jesuitenkirche ausgestellten Rock um eben diese Reliquie handeln.


Der Ablauf der Prozession

Jeder Haushalt in Luzern war verpflichtet, mindestens eine Person zum Umgang zu schicken. Im 17. und 18. Jahrhundert überstieg die Zahl der Teilnehmer sogar die damalige Stadtbevölkerung. Die Pilger füllten die Straßen, Gasthäuser und Stuben. Die Stadt spendierte den Armen, Kranken und Ratsherren ein Fischmahl, den Priestern dazu auch Wein. So ging der kirchliche Anlass stets in ein geselliges Fest über.

Der ursprüngliche Musegger Umgang fand am 23. März statt und führte von der Hofkirche durch die Stadt hinauf zum Musegghügel. Dort versammelten sich die Teilnehmer unter freiem Himmel zur Messe. Am Prozessionsweg steht eine Marienkapelle, ein Bau aus dem 17. Jahrhundert.

Der „Skandal“ von 1522

Üblicherweise wurde ein auswärtiger Prediger eingeladen, um die Museggpredigt zu halten. Im Jahre 1522 fiel die Wahl auf den Zürcher Geistlichen und Zwingli-Freund Konrad Schmid. Er nutzte die Gelegenheit, um von einem gütigen Gott zu sprechen, der sowohl „väterlich“ als auch „mütterlich“ sei, und erklärte die Bibel zur einzigen Autorität. Zudem kritisierte er den Papst und die Heiligenverehrung.

Viele Zuhörer waren begeistert, andere jedoch empört – darunter auch die Obrigkeit. Diese Predigt markierte das Ende aller reformatorischen Bestrebungen in Luzern. Für die nächsten drei Jahrhunderte wurde jede protestantische Bewegung in der Stadt mit eiserner Hand unterdrückt.

Der Musegger Umgang heute

Mit der Zeit nahm das Interesse am Musegger Umgang ab. Doch es gibt Bestrebungen, diese Tradition in neuer Form wieder aufleben zu lassen. Jedes Jahr Anfang Mai wird dieser Anlass feierlich begangen.


Kopie Kapellbrücke Bild Nr 39, Dr. Jost Schumacher
Kopie Kapellbrücke Bild Nr. 39, Musegger Umgang, © Dr. Jost Schumacher


Quellen:

  • Luzern in der guten alten Zeit, Hans Kurman, 1982.
  • Lux Ritter Schultheiss und Bauherr, Kuno Müller, 1964.
  • Robert Knobel, Luzerner Zeitung 22. März 2022, Warum Luzern fast reformiert wurde.
  • Katholische Kirche Stadt Luzern, Pfarreiblatt, Zum Wohle der ganzen Stadt.




Die Hinrichtungsarten im alten Luzern

In der Stadt und Republik Luzern sind folgende Hinrichtungsarten belegt:

  • Enthaupten
  • Hängen (Männer, weniger Frauen, keine Kinder)
  • Erwürgen (Männer, Frauen und Kinder)
  • Ertränken (Fast nur Frauen und Kinder)
  • Rädern (Nur Männer)
  • Verbrennen (ca 95% Frauen, fast keine Männer)
Darüber hinaus werden in verschiedenen Quellen auch das Ausdärmen und Vierteilen und das Lebendig begraben erwähnt. 

Urs Graf, 1512, Bevorstehende Enthauptung auf dem Hochgericht

Mit dem Franzoseneinfall und der Abdankung des Ancien Régime 1798 haben wir dann für ein paar Jahre mit der Guillotine gerichtet. Nach Abzug der Franzosen kehrten wir dann aber allmählich wieder zur Schwertenthauptung zurück, bevor sich dann die Guillotine endgültig durchsetzte. 1942 wurde die Todesstrafe im zivilen Bereich abgeschafft. 

Die letzte Schweizer Guillotine steht im Historischen Museum in Luzern. Sie wurde 1940 das letzte Mal benutzt.


Die Enthauptung

Die Schwertenthauptung war im alten Luzern die häufigste Hinrichtungsmethode. Es gibt kein Delikt, dass im alten Luzern nicht auch schon mal mit dem Schwert gesühnt wurde, nicht selten im Sinne einer Strafmilderung. 

So wurden Verurteilte auch aus Gnade, wegen ihrer Jugend, ihres Alters, ihrer Krankheit, ihrer Verdienste oder ihrer adeligen Herkunft wegen zum Tod durch das Schwert begnadigt.

Die Schwertenthauptung gilt als die edelste Form der Hinrichtung. 

Gemäss Malefizordnung von 1600 war das Enthaupten für verschiedene Delikte vorgesehen, wie etwa:

  • Diebstahl (wenn er "nit gar schwär" war)
  • Morddrohungen, Androhung von Brandstiftung oder Körperverletzungen
  • Totschlag
  • Vergiftungen 
  • Notzucht
  • Inzest
  • Unglaube und Ketzerei 
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und der weltlichen Obrigkeit
  • Rebellion und andere Formen des Widerstandes gegen die weltliche Obrigkeit.


Ausschnitt Martiniplan, die Enthauptung des hl. Mauritius
Ausschnitt Martiniplan 1597, Enthauptung des hl. Mauritius


Das Hängen (auch Aufknüpfen)

Hängen war eine Hinrichtungsform, die vorwiegend an Männern für schweren Diebstahl vollzogen wurde. 

Dabei gilt es zwei Todesarten zu unterschieden: dem Tod durch Genickbruch und dem Tod durch Ersticken.

In Ländern, in denen das Hängen heute noch praktiziert wird, erfolgt der Tod in der Regel durch Genickbruch. Die Verurteilten fallen durch eine Falltür vom Schafott, wodurch das Genick bricht und ein schneller (und vergleichsweise "gnädiger") Tod eintritt.

Im Mittelalter hingegen verlief die Hinrichtung grausamer. Die Verurteilten wurden auf eine Leiter geführt, am Galgen festgebunden, und die Leiter wurde anschließend entfernt. Der Tod trat langsam durch Ersticken ein.

Zur Abschreckung liess man die Gehängten am Strick verrotten, bis sie verfaulten und von selbst abfielen. 

Das Aufknüpfen galt als besonders gefürchtete und schändliche Strafe.


Das Erwürgen

Beim Erwürgen am Richtplatz wurde die oder der Verurteilte an einen Pfahl gebunden. Der Nachrichter stand hinter dem Pfahl und hat die Person mit einem Strick stranguliert. 


Das Ertränken

Männer wurden selten ertränkt. Diese Hinrichtungsmethode war Frauen, Kindern und Jugendlichen vorbehalten und zwar für Delikte wie:

  • Diebstahl
  • Totschlag
  • Vergiftungen
  • Kindstötung und Abtreibung ( «kindsverderberj »)
  • Inzest
  • Kupplerei
  • Unglaube, Ketzerei
  • Gotteslästerung
  • Lästerung der geistlichen und weltlichen Obrigkeit

In der Regel wurde die verurteilte Person in Kauerstellung gefesselt und ins Wasser geworfen. Um ganz sicher zu gehen, konnte man  auch einen Stock zwischen Beine und Arme schieben, wie man es auf dem Bild unten sieht. So gefesselt musste die verurteilte Person unweigerlich ertrinken. Siehe auch: Ab 1609 wurden Frauen nicht mehr ertränkt, sondern enthauptet (Link).


Luzerner Schilling Folio 142v (288), Hochstapler Claus Ring aus Willisau
wird auf Begehren Luzerns 1486 in Konstanz im Rhein ertränkt. 



Das Rädern (auch Radbrechen)

Das Rädern war eine grausame Form der Hinrichtung, die ausschließlich an Männern vollzogen wurde, meist als Strafe für Mord.

Der Scharfrichter zerschmetterte mit einem eisenbeschlagenen Rad zunächst die Gliedmaßen des Verurteilten – Arme und Beine wurden nacheinander gebrochen. Anschließend wurde der Körper auf das Rad geflochten, das schließlich auf einem hohen Pfahl befestigt wurde. Dort blieb das Opfer dem Tod überlassen, während Raben sich über den wehrlosen Leib hermachten.

Renward Cysat berichtet von einem bewegenden Vorfall in Luzern: Eine Frau soll ihren zum Rädern verurteilten Ehemann noch vierzehn Tage lang mit Hilfe einer Leiter versorgt haben, bevor er schließlich verstarb. 


Luzerner Schilling Folio 174v
Luzerner Schilling, Folio 174v (352) (1495).
siehe auch Schilling vereitelt einen Justizirrtum und rettet Jakob Kesslers Leben.


Das Verbrennen

Hexen, Ketzer, Zauberer, Brandstifter Homosexuelle und Sodomiten wurden verbrannt. Ca. 95% davon waren Frauen, die als Hexen ermordet wurden, viele davon bei lebendigem Leibe verbrannt. Die anderen wurden zuerst erwürgt, erhängt oder enthauptet. Zur Strafmilderung wurde einigen lebendig verbrannten Frauen ein Pulversäcklein um den Hals gebunden. 


Das Ausdärmen und Vierteilen

Diese Strafe galt als eine der grausamsten Hinrichtungsarten und war Verrätern vorbehalten. Der Verurteilte wurde auf einen speziellen Tisch gebunden und zunächst kastriert. Anschließend öffnete man seinen Bauch und entnahm ihm die Eingeweide, wodurch er qualvoll verstarb. Danach wurde er enthauptet und gevierteilt. Sein Kopf wurde aufgespießt, während die Gliedmaßen zur Abschreckung an den Stadttoren befestigt wurden.


Luzerner Schilling 210r
Luzerner Schilling, 1513, Folio 210r (425). Ein Knecht, der die Stadt an die Franzosen
verraten wollte, wird grausam gevierteilt (1500)


Das Lebendig begraben

Renward Cysat weist darauf hin, dass «vor Zeiten» am heutigen Kreuzstutz, Kindsverderberinnen lebendig begraben wurden. Auch Folio 285r aus der Diebold Schilling lässt solches vermuten.
Siehe: die Kapelle der Kindsverderberinnen.


Strafverschärfung

Genau so wie die Strafmilderung, gab es auch die Strafverschärfung. Oftmals war diese an Grausamkeit nicht zu übertreffen. So wurden Verurteilte mit glühenden Zangen gezwickt, am Körper, unter den Achselhöhlen und Frauen in die Brust. Letzteren wurde auch schon die Zunge rausgerissen. Dieben wurde vor der Tötung die rechte Hand abgehackt.


Mehrfachstrafen

Im Vergleich zur Strafverschärfung wirken posthum vollzogene Mehrfachstrafen geradezu absurd. So wurde etwa einem Geräderten zusätzlich ein Galgen aufs Rad gesetzt, um ihn auch noch zu erhängen (Siehe Bild).


Luzerner Schilling Folio 280r. (567). Mehrfachstrafen: Urs Nagel (oben rechts)
wird in Luzern wegen Mord gerädert und wegen Diebstahls gehängt.
Danach wird er dann noch wegen Sodomie verbrannt werden (1508).

Quellen:

  • Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jahrhundert), Michael Harrer, Manuela Ros, Jürg Manser (Hrsg.), 1992.
  • Die Schweizer Bilderchronik des Luzerner Diebold Schilling (Luzerner Schilling)1513 und Kommentarband, 1981, Alfred A. Schmid (Hrsg.)
  • Geschichte der Luzerner Rechtssprechung, Justiz- und Sicherheitsdept. Kt. Luzern. Link





Ab 1609 wurden Frauen enthauptet statt ertränkt

Unser bedeutendster Chronist, Renward Cysat, schildert in seiner Collectanea [E. Fol. 408R] unter dem Titel "Wyber Enthouptung" eine bedeutende Änderung in der Luzerner Rechtsprechung:

Nach altem Stadtrecht war es üblich, Frauen, die eines Verbrechens für schuldig befunden wurden, nicht durch das Schwert zu richten, sondern sie zu ertränken – oder, sofern sie der Hexerei bezichtigt wurden, auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Eine Begründung für diese Praxis findet sich nicht.

Doch in jüngerer Zeit mahnten geistliche Seelsorger und Beichtväter, dass das Ertränken ein langsamer und qualvoller Tod sei, der die Verurteilten in tiefe Verzweiflung stürzen und vom Glauben abbringen könnte. Um dieser Grausamkeit entgegenzuwirken, beschlossen die Obrigkeit, der Rat und die Hundert, dass Frauen, die nicht der Hexerei oder Zauberei schuldig waren, künftig – wie die Männer – durch das Schwertgericht hingerichtet werden sollten.
Diese neue Praxis wurde daraufhin eingeführt, wie es bereits in anderen Städten üblich war.

Einige Seiten weiter, auf  [Fol. 51v] erwähnt Cysat einen grausamen Fall von Blutschande: 

Ein Landmann aus der Umgebung Luzerns hatte nicht nur weitere Vergehen begangen, sondern auch seine Stieftochter geschwängert. Beide wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Urs Graf, 1519, einsame Enthauptung einer nach links knieender Frau, vor Seenlandschaft
Urs Graf, 1519, einsame Enthauptung einer nach links knieenden Frau, vor Seenlandschaft.





















So wurde das Urteil auch an der unglücklichen Tochter vollstreckt, die am 23. Dezember 1609 enthauptet wurde – als erste Frau in Luzern, die auf diese Weise ihr Leben verlor. Dieses Ereignis galt als außergewöhnlich und beispiellos.



Die Luzerner Hebammen Ordnung von 1594

Eine Gebärende in einem Geburtsstuhl
Wikipedia
Im alten Luzern gab es um 1594 drei vom Rat gewählte und besoldete Hebammen. Daneben gab es mehrere Lernende. Diese nannte man Lehrfrau-Wartnerinnen und sie erhielten auch einen kleinen Lohn und hofften bald zur Hebamme aufsteigen zu können.
Die Stadthebammen waren Staatsangestellte und hatten einen Eid zu leisten. Darin stand u.a. dass sie Reiche wie Arme gleichermassen ohne Unterschied zu bedienen hatten und neben ihrem vom Rat gegebenen Lohn kein weiteres Entgelt direkt von den Familien fordern durften. Die Torwächter waren angewiesen, den Hebammen auch bei Nacht jederzeit die Tore aufzuschliessen, so dass diese ungehindert ihrer Arbeit nachgehen konnten.

Hebammen hatten auch Staatsaufgaben zu erfüllen. Sie mussten nicht nur jede Geburt melden, sondern bei unehelichen Kindern auch den Namen des Vaters erfragen.
Ebenso wurden Hebammen von der Obrigkeit herangezogen, wenn es darum ging, der Hexerei angeklagte Frauen auf eine mögliche Schwangerschaft hin zu untersuchen. Nicht selten gaben nämlich der Hexerei angeklagte Frauen an, schwanger zu sein. Wenn dem so war, so wurde nach karolingischem Recht mit der Urteilsvollstreckung abgewartet, bis das Kind geboren war.
Auch Aborte mussten gemeldet melden, damit die Obrigkeit bei vermutetem absichtlich herbeigeführtem Schwangerschaftsabbruch, Ermittlungen aufnehmen konnte.

Frauen, die absichtlich einen Schwangerschaftsabbruch herbeiführten nannte man Kindsverderberinnen und im Hochmittelalter wurden diese lebendig begraben. Siehe auch: Die Kapelle der Kindsverderberinnen am heutigen Kreuzstutz

Es liegt nahe, dass die Hebammen auch über Mittel der Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch Bescheid wussten. Dieses "verbotene Wissen" mussten sie geheim halten, um nicht zu riskieren, als Hexen verschrien zu werden.
Mit Sicherheit waren viele Hebammen auch heilkundige Kräuterfrauen. Vielleicht verfügten Sie über Wissen, dass uns heute nicht mehr zur Verfügung steht. Wohl nicht zuletzt deshalb, weil heilkundige Kräuterfrauen mitunter auf dem Scheiterhaufen landeten.

Nach Cysat wurden die Apotheker in Luzern angewiesen, darauf zu achten, wem sie Hauswurz verkauften. Ein Sud aus dieser Arznei wurde nämlich auch dazu verwendet, einen Schwangerschaftsabbruch herbeizuführen.


Die Hauptbestimmungen der Hebammen Ordnung von Luzern von 1594
(Quelle: Dr. Theodor Michel Luzern, Bader, Scherer, Chirurgen, Hebammen und Apotheker im alten Luzern, 1931)

1. Die Hebammen sollen ihre Kunst nicht nur aus Büchern lernen. Es gebe aber "nützliche Büchlinen", die zum fleissigen Studium empfohlen werden.
2. Es wird verlangt "zimbliche Lybssterckhe" [ziemliche Leibesstärke] und mittleres Alter, damit sie den Anforderungen ihres Amtes gerecht werden. Sie sollen examiniert werden. Ferner Trost spenden können, nicht leichtsinnig und geschwätzig sein.
3. "Krosen oder Klopfen der Knüwen" werden als Symptome der nahen Geburt bezeichnet. Unterweisung der Frauen durch die Hebammen.
4. Das "Bürdelin oder Nachgeburth" soll sofort von vertrauten Personen weggeschafft werden, damit "es nicht Etwan bösen Lüthen in die Hend khomme und zue Hexery oder Zaubery (wie das offt beschechen) gebrucht werde".
5. Den gebärenden Frauen dürfen keine aussergewöhnlichen Mittel gegeben werden, "Insonderheit khein abergleubischen Sachen, Versägnen weder bruchen noch rathen."
6. Die Hebammen müssen einander helfen, den Doktor um Rat fragen, Kollegialität halten usw.  In schweren Fällen Anzeige erstatten.
7. Es gibt drei besoldete Hebammen in der Stadt. Diese Hebammen sollen die jungen Lehrhebammen bei der Geburt instruieren, stirbt ein der alten Hebammen, dann folgt die tüchtigste Lehrfrau-Wartnerin nach im Amt.
8. Damit der Dienst gewissenhaft ausgeführt wird, erfolgte 1594 eine Lohnerhöhung:
a) Freie Behausung
b) Alle Fronfasten (vierteljährlich) 10 libra (Währungseinheit und noch früher auch Gewichtseinheit)
c) Ein Vierthel Kernen (1 Luzerner Stadtviertel ist ein Getreidehohlmass und enthält 34.64 Liter. Im Alten Luzern bedeutete Kernen entspelzter Dinkel)

Wie hoch die Besoldung tatsächlich war, lässt sich heute nur sehr schwer feststellen.
Fest steht jedoch, das gute Hebammen rar waren. was die Luzerner Obrigkeit im 18. Jahrhundert gemäss Theodor Michel darauf zurückführte, dass die Besoldung zu gering sei.

Quellen:
 Dr. Theodor Michel Luzern, Bader, Scherer, Chirurgen, Hebammen und Apotheker im alten Luzern, 1931.
Cysat Collectanea Chronica und denkwürdiger Sachen pro Chronica Lucernensis et Helvetiae. Hg.: Joseph Schmid. Luzern 1961–1977.





Der Tretkran im alten Luzern

Auf Folio 3r der Luzerner Chronik von Diebold Schilling sieht man einen Tretkran. Das Bild zeigt  den Bau der ersten Klosterkirche im Hof im 8. Jahrhundert.

Luzerner_Schilling_Folio_3r_Bau_der_ersten_Klosterkirche_im_Hof_im_8_Jahrhundert
Luzerner Schilling Folio 3r - e-codices

Ganz oben auf dem Bild ist ein Engel mit einer Laterne abgebildet und spendet Licht. Ein Hinweis auf den fälschlicherweise von "Lucerna" (Leuchte) abgeleiteten Namen von Luzern. Der Geistliche ganz links in der unteren Bildhälfte ist Abt Wichard, der den Bau leitet. Ganz unten links sind zwei Arbeiter am Mörtel zubereiten. Daneben schleppt ein Mönch mit hochgezogener Kutte Steine herbei. Ganz unten rechts verrichtet ein Steinmetz in einer offenen Bauhütte seine Arbeit. In der Bildmitte wird die neue Klosterkirche um die ehemalige Nikolaus-Kapelle herum gebaut.

Folio_3r_Ausschnitt_mit_Tretkran
Folio 3r, Ausschnitt
In der Bildmitte sieht man einen Tretkran. Was aussieht wie ein Galgen ist das Krangestell. Das Rad darunter ist die Tretmühle, die von Menschenkraft angetrieben wird (Ähnlich wie das Laufrad beim Hamsterkäfig). Das Kranseil führt von der Tretmühle über das Krangestell zu einem Eckpfeiler. Am Kranseil ist eine Steinschere (auch Wolf oder Wolfszange genannt) befestigt. Die Steinschere umgreift einen Quader wie eine Zange. Ein Arbeiter, gekleidet in den Hosen eines Stadtknechtes, ist damit beschäftigt den Quader richtig zu setzen.


Luzerner_Schilling_Folio_216r
Luzerner Schilling Folio 216r
Steinschere
Steinschere
Durch das Hochziehen des Kranseils presst die Steinschere den Quader zusammen, so dass dieser gehoben werden kann (siehe Bild links).

Damit die Quader nicht abrutschen können, werden auf beiden Seiten kleine Löcher hinein gehauen (Siehe Bild rechts). So können durch das Ausnützen des eigenen Gewichts, schwerste Quader gehoben werden.


In Luzern ist uns eine Tretmühle erhalten geblieben. Sie befindet sich im Estrich der Hofkirche. Sie wird heute noch benutzt, um während des Gottesdienstes an Christi Himmelfahrt unseren Heiland hochzuziehen. Die Tretmühle kann an einer öffentlichen Führung der Hofkirche besichtigt werden.

Tretmuehle_im_Estrich_der_Hofkirche_Luzern
Tretmühle im Estrich der Hofkirche Luzern