Nachtwächter Ralfs Blog

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Der Fall Els von Meersburg: Ein Hexenprozess in Luzern um 1450

Wir blicken zurück in das Jahr 1450. Der Schauplatz ist die Region um Luzern. Auf dem Weg zwischen Malters und der Stadt trifft eine Frau namens Els von Meersburg auf einen Bettler. Die Begegnung nimmt schnell eine bedrohliche Wendung: Der Mann wird zudringlich, will sie zur Ehe zwingen und bedrängt sie massiv. Er fordert unmissverständlich, dass sie "mit ihm zu tun hätte" – er will also intime Dinge mit ihr machen.

Aus Zorn über diese Nötigung greift Els nicht zu weltlichen Mitteln, sondern zu magischen. Sie schöpft Wasser, wirft es rückwärts über die Schulter in die Luft und ruft den Teufel an – genauer gesagt ihren persönlichen "Meister" namens Krütli sowie Beelzebub. Die Folge ihres Fluches: Ein schweres Unwetter mit Hagel und Blitz zieht auf, und sie wünscht dem Bettler zudem die Epilepsie an den Hals.

Dieser Vorfall ist der Aufhänger für ein umfangreiches Geständnis, das uns heute in den Luzerner Akten einen tiefen Einblick in den damaligen Aberglauben gewährt.


Eine Hagelsiederin, Ausschnitt Hexensabbat, Wickiana, 1570, ZB Zürich
Eine Hagelsiederin, Ausschnitt Hexensabbat, Wickiana, 1570, ZB Zürich



Liebeszauber und Schadensmagie

Els von Meersburg war keine Anfängerin, wenn es um Zauberei ging. Bereits 40 Jahre zuvor, noch als Mädchen, soll sie von einer bekannten "Hagelsiederin" namens Else Schiesserin in diese Künste eingeführt worden sein.

Doch Els wirkte nicht nur Unheil. Selbstbewusst gestand sie, eine ganz bestimmte „Kunst“ beherrscht und unter den Frauen weitergegeben zu haben. Sie lehrte ihre Geschlechtsgenossinnen, wie sie die Zuneigung ihrer Ehemänner gewinnen, damit diese ihnen wieder „hold“ seien und sie nicht schlagen mögen.


Der Pfarrer und das wetterfeste Dorf

Ein besonders spannendes Kapitel in Els’ Leben ist ihre Zeit mit dem Pfarrer von Kilchberg. Sie lebte viele Jahre ganz öffentlich mit ihm zusammen und bezeichnete ihn als ihren "ehelichen Mann".

Das Bemerkenswerte daran: Solange der Pfarrer lebte, blieb das Dorf Kilchberg komplett vom Hagel verschont. Els erklärte dies damit, dass er die seltene Gabe hatte, das Unwetter zu "versegnen", es also durch seinen Segen abzuwehren. Erst nach seinem Tod, so berichtete sie, schlug der Hagel dort wieder häufig und heftig ein.


Der Teufelspakt und intime Details

Ein zentraler Bestandteil ihres Geständnisses betraf ihr Verhältnis zum Teufel. Els berichtete offen über ihre Verbindung zu dem Dämon "Krütli". Sie gab zu, sich ihm "geeignet" (verschrieben) zu haben.

Die Akten nennen hierzu ein sehr intimes Detail: Der Teufel Krütli erschien ihr in der Gestalt einer Geiß oder eines Geistes und vereinigte sich fleischlich mit ihr – doch klagte sie immer wieder über seine ‚unnatürliche Beschaffenheit‘


Seltsame Rituale auf dem Hexensabbat

Ihre Beschreibungen der Zusammenkünfte mit anderen Hexen muten aus heutiger Sicht surreal an. Els berichtete von Treffen in Thann, Straßburg oder Menznau, zu denen die Frauen angeblich auf Hunden oder Wölfen ritten.

Die Aktivitäten vor Ort wurden detailliert geschildert:

  • Man hielt Turniere ab, bei denen man mit Hanfstängeln gegeneinander focht.
  • Es wurde zwar reichlich Essen und Trinken aufgetischt, doch berichtete Els, dass die Teilnehmerinnen am Ende oft hungriger waren als zuvor oder einen plötzlichen Ekel vor den Speisen empfanden.
  • Wichtige christliche Symbole wie Salz und Brot fehlten bei diesen Mahlen meist gänzlich.



Der Prozess in Luzern und das offene Ende

Els von Meersburg wurde in Luzern der Prozess gemacht, wo ihre Aussagen protokolliert wurden. Sie zeigte sich kooperativ und gab den Richtern sogar Ratschläge für die Verfolgung anderer Hexen: Man müsse bei einer Festnahme sofort eine Haussuchung durchführen und den Frauen ihre Büchsen und Zauberutensilien wegnehmen. Zudem merkte sie an, dass eine Hexe ihre Macht verliere, sobald sie sich wieder Gott und der Muttergottes zuwende.


Wie die Geschichte für Els ausging, ist historisch nicht belegt. Die Akten enthalten kein explizites Urteil. Da sie jedoch umfassend geständig war – inklusive Teufelspakt und Schadenszauber – und dies in einer Zeit geschah, in der die Hexenverfolgung zunahm, ist davon auszugehen, dass sie hingerichtet wurde. Gewissheit darüber gibt es jedoch nicht – das Urteil bleibt unbekannt.




Quellen: