Das ursprüngliche Giebelbild Nr. 25 der Kapellbrücke fängt eine detailreiche Szene kaiserlicher Ehre ein: Karl der Grosse – in Rüstung und mit Helmkrone – erhebt sich von seinem Thron, um drei Luzerner Krieger mit Harsthörnern als Dank für ihren heldenhaften Einsatz zu ehren.
Im Hintergrund rechts ist das Luzerner Banner zu sehen, daneben steht das Heer zum Kampf bereit. Links im Bild sind grosse Zelte aufgebaut – auf einem gelben Zelt prangt der Doppeladler der deutschen Kaiser.
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| Karl der Grosse verleiht den Luzernern Harsthörner, Bild: zentralgut.ch |
Der dazugehörige Bildvers fasst die Szene zusammen:
Keyser CAROLUS der grosse |
Auf Lucern sein gunst ergosse |
Gab zum Preiß der dapfferkeit |
Feld-harsch-hörner zu dem streit
Die Sage: Wie Luzern zu seinen Hörnern kam
Hinter dem Giebelbild steht folgende Legende:
Laut der Überlieferung schlossen sich Luzerner Krieger dem Feldzug Karls des Grossen gegen die Sarazenen in Spanien im Jahr 778 an. In einer Schlacht soll Roland, der Neffe des Kaisers, in Gefangenschaft geraten sein.
Die Luzerner sollen sich daraufhin in den Kampf gestürzt, Roland befreit und so dem Kaiser zum Sieg verholfen haben.
Als Dank für diesen Einsatz und ihre Treue habe Karl der Grosse den Luzernern die Harsthörner verliehen. Damit erhielten sie das Privileg, diese als Feldzeichen zu führen.
Das Harsthorn: Die furchteinflössende "Stimme" der Eidgenossen
Was war dieses Harsthorn überhaupt?
- Ein Signalhorn: Gefertigt aus dem Horn des Auerochsen, war es eine Naturtrompete.
- Eine Waffe der Psychologie: Beim Angriff eingesetzt, sollte sein tiefer, furchterregender Brummton die eigenen Truppen motivieren und die Feinde demoralisieren.
- Ein Symbol der Ehre: Ähnlich wie das Banner war das Harsthorn eine Kriegstrophäe. Der Harsthornträger war stets einer der stärksten Männer der Truppe, der sein Leben liess, bevor er das Horn dem Feind überliess.
Legende trifft auf Realität: Was wirklich geschah
Die Giebelbilder der Kapellbrücke stammen aus dem 17. Jahrhundert – einer Zeit, in der man Geschichte und Legenden bewusst vermischte. Heute wissen wir, dass die historische Realität von der Sage abweicht:
- Das Jahr: Es war 811, nicht 778.
- Der Feind: Es waren die Basken, nicht die Sarazenen.
- Der Ort: Die berühmte Schlacht von Roncesvalles. (>> Wiki)
- Der Ausgang: Es war eine katastrophale Niederlage für Karls Heer, kein Sieg.
- Roland: Er wurde nicht befreit, sondern fiel in dieser Schlacht.
- Luzern: Die Stadt war zu dieser Zeit noch ein kleines Fischerdorf und kaum in der Lage, eigene Truppen auf einen so fernen Feldzug zu schicken.
Doch das tut der Bedeutung dieser Bilder keinen Abbruch.
Solche Gründungs- und Heldenmythen dienten einem klaren Zweck: Sie sollten die eigene Herkunft aufwerten und die Stadt mit grossen, fast mythischen Figuren der Geschichte – wie Karl dem Grossen – verbinden. Dies verlieh Luzern Prestige und ein ehrwürdiges Alter.
Obwohl die Legende historisch nicht haltbar ist, zeigt sie doch den Stolz der Luzerner auf ihre Wehrhaftigkeit. In der "Luzerner Schilling"-Chronik sieht man die Harsthörner in den Abbildungen der Burgunderkriege. Mehrmals sind zwei Luzerner Harsthornbläser zusammen mit dem Uristier abgebildet.
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| Die Luzerner Harsthörner und der Uristier, Luzerner Schilling Folio 99v, S. 200, Ausschnitt |
Was wurde aus den Harsthörnern?
Das Schicksal der Hörner ist turbulent:
- Im Zweiten Villmergerkrieg (1712) eroberten die Berner zwei Luzerner Harsthörner und brachten sie als Trophäen nach Bern.
- Während des Franzoseneinfalls 1798 gingen diese beiden Hörner verloren und sind seither verschollen.
- Weitere Luzerner Harsthörner werden jedoch sicher im Historischen Museum Luzern aufbewahrt. Eines davon, gefertigt aus Ochsenhorn mit einem Querband aus Messing, ist dort ausgestellt.
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| Das Harsthorn im Historischen Museum Luzern, Foto: 12Nov25 |
Bezeichnungen und Mythen rund um das Kriegshorn
Signal- oder Kriegshörner waren historisch weit verbreitet und keine eidgenössische Erfindung. Schon die Römer, Wikinger und andere Völker nutzten Hörner zur Signalgebung im Kampf.
Bei den Eidgenossen war dieses Instrument, hier oft Harsthorn genannt, ebenfalls zentral. Speziell in der Innerschweiz sind dazu eigene Traditionen und Bezeichnungen überliefert:
- Uri: Hier bläst der legendäre "Uristier" das Harsthorn.
- Nidwalden: Dort nennt man das Horn "Helmi" und seinen Träger den "Helmibläser". (Gemäss Wiki existiert als Pendant zum Uristier die "Nidwaldner Kuh").
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| Schlacht bei Marignano, der Verlust des Uristiers, um 1895, Karl Jauslin (1842-1904), koloriert. |
Quellen:
- Heinz Horat, Die Bilder der Kapellbrücke in Luzern, 2015, S. 60 und 61.
- Die Collectanea des Renward Cysat. [B.Fol.34v], Band 4, Zweiter Teil S 853 ff, [Mskr. 1465, Fol.174r) S. 1061.
- Staatsarchiv Nidwalden (Das dritte Bild zeigt den Helmibläser mit “Kuhkopfkappe”)
https://www.nw.ch/_docn/263752/Staatsarchiv_Geschichte_Nidwaldner_Harst.pdf - Wikipedia: Harsthorn | https://de.wikipedia.org/wiki/Harsthorn
- Historisches Museum Luzern: Studium vor Ort



